Pikler® Pädagogin & Elternbildnerin

Plädoyer für die Rückenlage

Immer wieder bin ich in meiner Tätigkeit als Spielraumleiterin mit der Frage konfrontiert, welche Lage in welchen Situationen die „Beste“ für die Säuglinge sei. Gilt die Bauchlage beim Schlafen als Risikofaktor für den plötzlichen Kindstod, so wird frischgebackenen Eltern von Kinderärzten / Ärztinnen und Physiotherapeuten sehr wohl nahegelegt, ihr Baby auf den Bauch zu legen, wenn es wach ist. Argumentiert wird damit, dass dadurch jene Rückenmuskulatur gestärkt werden soll, die das Kind später beim Krabbeln und Sitzen unterstützt.
Wenn Babys die Bauchlage nicht akzeptieren – was erfahrungsgemäß oft der Fall ist -, gibt es Empfehlungen, wie dies mit ihnen geübt werden kann. Dieser Widerstand zeigt aber meiner Meinung nach schon, dass es sich bei dieser Frage lohnt, genauer hinzuschauen und so lade ich Sie ein, eine kleine Gedankenreise zu machen:
Stellen Sie sich ein Baby vor, das entspannt auf dem Rücken liegt. Sowohl sein Kopf als auch sein Rumpf und die Extremitäten werden bequem von der Unterlage getragen. Es kann seinen Kopf drehen und Arme und Beine frei bewegen.
Mit der Zeit wird es seine Auflagefläche verkleinern, es wird die Arme heben, die Hände vor dem Gesicht halten und betrachten. Es hat die Möglichkeit, die Beine zu bewegen, zu strampeln, und es wird trotzdem in einer stabilen Position bleiben, die es nicht verunsichert. Sie können als erstes Spielzeug ein Tüchlein oder ein kleines Stofftier in seine Nähe legen. Das Kind kann es ergreifen, es betrachten und sich damit beschäftigen.
Es hat viele Möglichkeiten, sich zu beugen und zu strecken, sodass die Muskulatur gestärkt wird, und da sowohl die Bauch- als auch die Rückenmuskeln!
Wenn es soweit ist, wird es sich auf die Seite drehen und seine Auflagefläche weiter verringern. Es wird experimentieren, wie es in die Seitenlage und wieder zurückkommt. Irgendwann wird es sich von selbst auf den Bauch drehen, und wenn ihm diese neue Lage vertraut genug ist, stundenlang am Bauch liegend spielen und sich den nächsten Meilenstein, die Fortbewegung in der Bauchlage, erarbeiten.

Warum also bin ich mit den eingangs erwähnten Empfehlungen nicht einverstanden?
Dem Kind, das von seinen Eltern auf den Bauch gelegt wird, entgehen viele dieser kleinen und großen Möglichkeiten. Das Blickfeld ist eingeschränkt, es ist für das Baby sehr anstrengend, längere Zeit den Kopf zu heben und es hat nicht die gleichen Möglichkeiten, seine Arme und Beine zu bewegen und kennen zu lernen. Durch das Vorwegnehmen der Bauchlage, wird den Kleinen auch die Erfahrung verwehrt, selbst zu spüren, wann sie so weit sind, und den enorm wichtigen „Vorarbeiten“ wird keine Bedeutung geschenkt.

Auch Babys, die viel Zeit in Wippen, Tragehilfen oder Babyschalen verbringen, sind in ihren Möglichkeiten zu experimentieren, eingeschränkt.
Darum empfehle ich: Legen Sie ihr Kind so oft es geht auf den Rücken. Eine feste Unterlage und ausreichend Platz am Boden sowie Ihre liebevolle Pflege sind die idealen Bedingungen für eine selbstständige Bewegungsentwicklung Ihres Kindes. Haben Sie Vertrauen, dass Ihr Kind seinem inneren Bauplan folgen wird und alle Entwicklungen dadurch in einer besonderen Qualität durchmachen und erlernen wird.